Mit Kingdom Come: Deliverance II kehrt eines der authentischsten Mittelalter-Rollenspiele der letzten Jahre zurück – und das in beeindruckender Form. Die Fortsetzung des 2018 erschienenen Überraschungshits führt die Geschichte von Heinrich, dem Schmiedesohn, nahtlos weiter und setzt erneut auf ein Rollenspielerlebnis, das sich der historischen Genauigkeit verschrieben hat. Kein Fantasy, keine Drachen – sondern echte Geschichte, echte Orte und echte Konsequenzen. Diesmal verschlägt es den Spieler in noch größere Gebiete Böhmens, wo sich die politische Lage weiter zuspitzt und Heinrichs Weg zunehmend komplexer wird. Die Handlung ist tief in historische Ereignisse eingebettet und wird durch glaubwürdige Figuren, politische Intrigen und persönliche Konflikte vorangetrieben.
Inhalt
Kingdom Come: Deliverance II ist weit mehr als ein Rollenspiel mit Schwert und Rüstung. Die Spielwelt ist gewaltig, lebendig und bietet eine enorme Bandbreite an Möglichkeiten: von Hauptmissionen, die Heinrichs persönliche und gesellschaftliche Entwicklung erzählen, über verzweigte Nebenquests bis hin zu Aktivitäten wie Jagen, Alchemie, Schmieden oder Turnieren. Man kann Burgen infiltrieren, als Bote in politischen Machtspielen dienen, Verbrechen aufklären oder einfach durch die Dörfer reisen und mit Bauern, Händlern und Geistlichen interagieren. Das Spiel gibt dem Spieler völlige Freiheit – und ebenso viele Konsequenzen. Entscheidungen, wie man mit Konflikten umgeht, ob man redet, kämpft oder sich zurückzieht, prägen die Geschichte nachhaltig. Auch das soziale Ansehen, der Ruf bei bestimmten Fraktionen und sogar die Kleidung beeinflussen, wie NPCs auf Heinrich reagieren. Im Vergleich zum Vorgänger wurden viele Systeme erweitert oder verbessert. Es gibt nun mehr Möglichkeiten zur Charakterentwicklung, feinere Dialogsysteme und eine größere Vielfalt an Lösungswegen für Quests. Die Spielwelt selbst wirkt dichter bevölkert, lebendiger – mit Tagesabläufen, saisonalen Ereignissen und dynamischen Umwelteinflüssen. Und ja, das Speichersystem ist endlich komfortabler geworden.
Gameplay
Spielerisch bleibt Kingdom Come: Deliverance II seiner kompromisslosen Philosophie treu – aber es gelingt dem Spiel diesmal besser, Zugänglichkeit mit Tiefe zu vereinen. Die Steuerung ist präziser, die Menüs übersichtlicher, und viele der alten Einstiegshürden wurden entschärft, ohne den realistischen Kern zu verwässern. Das Herzstück ist nach wie vor das Kampfsystem, das auf Timing, Positionierung und Stamina basiert. Jeder Schwerthieb muss überlegt sein, denn Gegner sind nicht einfach Lebenspunkt-Schwämme, sondern taktische Kontrahenten. Blocken, Ausweichen und gezielte Hiebe in bestimmte Richtungen sind entscheidend – ein System, das zwar anspruchsvoll bleibt, aber durch bessere Animationen und klarere Reaktionen nun deutlich befriedigender funktioniert. Auch das Schleichen, Bogenschießen und Reiten wurden spürbar verbessert. Besonders das Reiten fühlt sich nun natürlicher an: Die Pferde verhalten sich realistischer, können trainiert und mit Ausrüstung versorgt werden. In Kämpfen vom Pferd aus hat man mehr Kontrolle, auch die Kamera ist dynamischer. Die Rollenspielsysteme greifen dabei wie Zahnräder ineinander. Alles, was man tut, steigert Fertigkeiten: Ob Lesen, Kochen, Reden oder Kämpfen – Heinrich lernt durch Erfahrung. Gleichzeitig beeinflussen Gewicht, Hunger, Müdigkeit und Hygiene den Spielverlauf. Ein erschöpfter, hungriger Heinrich mit zerrissener Kleidung wird in einem Adelsgespräch kaum ernst genommen – kleine, aber konsequente Details, die das Spiel immersiv machen. Neu hinzugekommen ist ein stärker ausgearbeitetes Begleitersystem: Einige Figuren schließen sich Heinrich an, kämpfen mit ihm oder beeinflussen durch ihre eigenen Motivationen bestimmte Entscheidungen – das bringt zusätzliche Tiefe ins Questdesign.
GrafikGrafisch ist Kingdom Come: Deliverance II ein Meilenstein für realistische Mittelalter-Darstellung. Die neue Spielwelt – von dichten Wäldern über fruchtbare Felder bis zu belebten Klöstern und gut gesicherten Burgen – sieht schlichtweg atemberaubend aus. Die CryEngine zeigt hier, wozu sie fähig ist: Licht fällt realistisch durch Baumwipfel, Nebelschwaden ziehen durch Täler, und Wetterumschwünge wirken dynamisch und dramatisch. Besonders beeindruckend ist der Detailgrad in den Städten: Kopfsteinpflaster, die sich mit Regen füllen, Holzfassaden mit handgeschnitzten Ornamenten, gealterte Schriften an Kirchenwänden – die Welt ist so glaubwürdig gestaltet, dass man sich stellenweise mehr als Historiker denn als Spieler fühlt. Auch Charaktermodelle wurden stark überarbeitet. Mimik, Kleidung, Hauttexturen und Bewegungen wirken natürlicher denn je. Die Gesichtsanimationen in Dialogen sind stimmiger, besonders bei wichtigen Zwischensequenzen. Während das Spiel kein Action-Blockbuster im klassischen Sinne ist, bietet es filmische Momente, die sich durch ihre Authentizität hervorheben, nicht durch übertriebene Effekte.Technisch läuft die PS5-Version stabil, wahlweise in einem Grafik- oder Performance-Modus. 60 FPS im Performance-Modus machen das Kämpfen spürbar geschmeidiger, während der Grafikmodus mit 4K-Auflösung die opulente Spielwelt in voller Pracht zeigt. Ladezeiten sind angenehm kurz, die Soundkulisse – bestehend aus authentischen Instrumenten, Naturgeräuschen und regional angepasster Sprachausgabe – rundet das Gesamtbild perfekt ab.
Fazit
Kingdom Come: Deliverance II ist ein Monument für realistisches Rollenspiel – ein Titel, der sich nicht scheut, seinen eigenen Weg zu gehen. Er belohnt Geduld, Genauigkeit und Eintauchen in seine Welt mit einer Tiefe, die man im Rollenspiel-Genre selten findet. Der zweite Teil baut auf den Stärken seines Vorgängers auf und verbessert fast alle Schwächen: Das Kampfsystem ist ausgereifter, die Spielwelt dichter, die Technik moderner und das Questdesign abwechslungsreicher. Auch wenn das Spiel nach wie vor nichts für schnelle Erfolgssucher oder Action-Fans ist, entfaltet es gerade für Geschichtsfreunde und Rollenspielpuristen eine unglaubliche Sogkraft. Es ist kein Spiel für zwischendurch – aber eines, das sich nachhaltig einprägt.
Wertung: 9,2 / 10